Carlo Heller („RECORDED“ Record Release)

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21.03.25
Beginn: 20:00 Uhr

Auf dem 85 Jahre alten Pianoforte a mezza coda, das im Berliner Haus von Anne und Moritz von
Oswald steht, hat Carlo Heller, 1998 in Amsterdam geboren, in Köln groß geworden und seit neun
Jahren wohnhaft in Berlin, kürzlich seine erste Schallplatte aufgenommen. Sie trägt den betont
sachlichen Titel »Recorded« und umfasst neun kurze Stücke.

Diese sind von der ersten bis zur letzten Komposition hermetische Meditationen über einen
Seinszustand, der sich zwischen Wachheit und Schlaf bewegt, das sogenannte hypnagogische
Moment, für den es in der italienischen Sprache die wunderschöne Umschreibung „sognare ad
ochi aperti“ gibt – Träumen mit offenen Augen. Der hypnagogische Zustand beschreibt die letzten
Momente des Bewusstseins, bevor der Mensch von der Wachheit in den Schlaf übergeht, und in
denen er sich Melodien, Klänge und Kompositionen vorstellen, mitunter auch steuern kann.
An dem Versuch, diese geträumten Werke zu fassen zu bekommen, kann man scheitern, es
bedarf einer gewissen Vorstellungskraft, diese im Wegdämmern geträumten oder gedachten
musikalischen Strukturen beim Aufwachen zu rekonstruieren, ihnen eben genau jene Gestalt zu
geben, die zuvor geträumt worden war.

Auch deshalb besteht Carlo Heller darauf, dass es sich bei den neun Kompositionen, deren
zentraler, die A- und die B-Seite gewissermaßen verbindender Track den Titel »Halbtraum« (ist es
ein Zufall, dass sich Halbtraum auf Albtraum reimt?) trägt, um Improvisationen handelt. Die
anderen Stücke tragen klandestinere Titel, als hätte er sich mit »Halbtraum« fast schon zu weit
aus der Deckung gewagt: »A Few Things«, »Fewer Things«, oder »Unmentioned«.
Nur wer oberflächlich hört, mag in dieser Behauptung zunächst einen Widerspruch vermuten, zu
gezügelt, zu hermetisch, zu kohäsiv wirkt die Musik, als dass es sich um Improvisationen handeln
könnte. Hört man hingegen genau hin, dann erkennt man in ihnen genau dies: Sie sind freie
Improvisationen über zuvor ganz konkret Geträumtes, aber eben auch Entglittenes.
In diesem Sinne sind diese ersten aufgenommenen und veröffentlichten Stücke Carlo Hellers im
besten Sinne des Wortes neun Versuche, nokturne Klarheit im Wachzustand zu fassen zu
bekommen – in der Improvisation, bei voller Konzentration und Fokussiertheit.

Max Dax